Weingärtner, Maria

Der langwierige Kampf um Gerechtigkeit ist für viele Geschädigte nach 1945 Realität. So auch für Maria bzw. Marie Weingärtner, die mit ihrer Familie in Griesheim lebt.

Als ehemaliges KPD-Mitglied gilt sie als politische Gegnerin des nationalsozialistischen Regimes und steht bereits 1933 unter polizeilicher Kontrolle. Doch das hält sie nicht davon ab, auch aktiv Widerstand zu leisten: Sie übernimmt Kurierdienste und sorgt für die Verbreitung antifaschistischer Schriften in Darmstadt und Griesheim. Im Oktober 1934 wird sie von der Frankfurter Gestapo verhaftet. Im Januar 1935 verurteilt das Kasseler Gericht sie zu drei Jahren Zuchthaus und Ehrverlust wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“. Weingärtner wird in Preungesheim, Ziegenhain, Gotteszell, Aichach und Laufen inhaftiert. Während der Haft wird sie seelisch misshandelt, leidet unter Mangelernährung und muss Schwerstarbeit leisten. Am Tag ihrer Haftentlassung wartet die Gestapo Frankfurt auf sie und hält sie nochmal für knapp drei Wochen fest. Außerdem verliert sie ihren Gewerbeschein und kann ihr Geschäft, eine „Handlung für landwirtschaftliche Produkte“, nicht mehr betreiben. Sie bleibt Hausfrau und die Familie, die auch auf ihr Einkommen angewiesen ist, leidet unter finanziellen Schwierigkeiten. Auch dies ist Folge des Kasselers Urteils von Januar 1935.

Nach 1945 sucht Marie Weingärtner Unterstützung beim Hilfswerk für politisch Verfolgte in Hessen. Engagiert wie sie ist, kämpft sie nicht nur für sich, sondern versucht auch Unterstützung für andere zu organisieren. Sie gibt sich als Vertrauensperson aus, veranlasst Lieferungen von Holz und Lebensmitteln an verarmte Familien und beantragt die Berücksichtigung der Kinder von politisch Verfolgten. Das Hilfswerk untersagt ihr dies und droht, die „Weiterbetreuung“ ihres Falles abzulehnen. Weingärtner lässt sich jedoch nicht entmutigen und reicht immer wieder Anträge ein, um Kriegsschäden an ihrem Haus reparieren und Inventar nachkaufen zu können. Außerdem kämpft sie um die Anerkennung der physischen und psychischen Haftfolgen.


Maria/ Marie Weingärtner – ihr Lebenslauf in Stichworten

13.5.1893
geboren in Westhofen
13.7.1913
Umzug nach Griesheim
Hochzeit mit Georg Weingärtner (geb. am 13.11.1883, von Beruf Schlosser)
1913-1923
Geburten der vier Kinder (1913 – 1915 – 1918 – 1923)
Der älteste Sohn Georg Weingärtner (geb.10.10.1913, Buchdrucker) wird ebenfalls im Nationalsozialismus politisch verfolgt.
1933/34
als ehemalige Vorsitzende der SPD-Kinderorganisation der „Rote Falke“ geht Maria Weingärtner aktiv in den Widerstand: Sie nutzt ihr Wandergewerbe, um antifaschistische Zeitschriften in Darmstadt und Griesheim zu verbreiten. Dazu gehörten u.a. „Das Braunbuch“, die „Arbeiterzeitung“, die „Junge Garde“ (von der KPD)
5.3.1933-15.11.1933
Weingärtner steht unter polizeilicher Kontrolle und muss sich zweimal am Tag melden.
04.10.1934
Weingärtner wird von der Gestapo Frankfurt verhaftet und im Polizeigefängnis Frankfurt inhaftiert.
19.10.1934-5.10.1937
Haft in Frankfurt/Preungesheim, Ziegenhain, Gotteszell, Aichach und Laufen – dort sind Zwangsarbeiten in der Forstkultur bezeugt.
19.1.1935
Das Oberlandesgericht Kassel verurteilt Weingärtner und Hans Riffel wegen Vorbereitung zum Hochverrat (§ 83 Abs 3. Ziff. 3. StGB) zu je 3 Jahren Zuchthaus und Ehrverlust. Wilhlem Hofmann wird in dem Verfahren aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
5.10.1937-21.10.1937
Entlassung aus Laufen und direkte Inhaftnahme durch die Gestapo Frankfurt. 
1937-1945
Geschäftsverbot durch Einzug des Gewerbescheins.
24.12.1944
Fliegerangriff auf Griesheim: das Haus der Weingärtners in der Schützenstraße wird teilweise zerstört.
nach 1945
Kampf um Notversorgung, Reparatur der Kriegsschäden und Entschädigung
1976
Pingel-Rollmann befragt Weingärtner zu Widerstand und Verfolgung in Darmstadt und Umgebung.
Weingärtner wird zu einer wichtigen Zeugin über Verbreitung antifaschistischer Schriften und Vernetzung.

Quellen und Literatur
HHStAW 518 72853
Heinrich Pingel-Rollmann: Widerstand und Verfolgung in Darmstadt und der Provinz Starkenburg 1933-1945. Darmstadt und Marburg 1985.

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