Sturmfels, Otto

Politik liegt Otto Sturmfels am Herzen. 1909 tritt er in die SPD ein. Auch beruflich setzt er sich für die Arbeiterklasse ein, übernimmt als Anwalt vor allem Fälle von Bauern oder Arbeitern. 1921 wird Sturmfels erstmals in den hessischen Landtag gewählt. Nebenbei ist er als „tatkräftiger“ Verteidiger, der auch vor Ohrfeigen nicht zurückschreckt, bekannt und genießt in seiner Geburtsstadt Groß-Umstadt wie in der hessischen Landeshauptstadt Darmstadt hohes Ansehen.

1931 treffen die Folgen der Wirtschaftskrise seine Familie so, dass Sturmfels es sich nicht mehr leisten kann, als Landtagsabgeordneter zu kandidieren. Er muss sich auf seine Kanzlei konzentrieren, um genügend Geld für die achtköpfige Familie zu verdienen.
Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht gelangen, ist es für Sturmfels gefährlich, seine politische Einstellung öffentlich zu zeigen. Trotzdem vertritt er Gegner des NS-Regimes, wie seinen langjährigen SPD-Parteifreund und Widerstandskämpfer Carlo Mierendorff. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Nazis gegen ihn vorgehen.

Der Gerichtsprozess, in dem Sturmfels angeklagt ist, als Notar Stempelgelder hinterzogen zu haben, ist in diesem Kontext zu sehen. Im September 1933 wird Sturmfels zu einem Jahr Zuchthaus, einer Geldstrafe und Verlust seiner Ehrenrechte für drei Jahre verurteilt. Darüber hinaus betreibt die Hessische Landeszeitung Rufmord, indem sie ihn als „Oberbonzen“ und seine Kanzlei als „notarielle Dunkelkammer“ bezeichnet.
Trotz Revisionsanträgen muss Sturmfels die komplette Strafe in Haftanstalten in Darmstadt und Butzbach verbüßen. Nach seiner Entlassung, am 17.09.1934, zieht er sich zurück. Er verweigert aber nach wie vor den Hitlergruß und spricht sich in seinem nahen Umfeld gegen die NSDAP aus.

AKTION GITTER.
Nach seiner Haftentlassung hält Otto Sturmfels seine Familie wohl mit mehreren Jobs über Wasser, da er nicht mehr als Notar/Anwalt praktizieren darf. Auch politisch ist er fast ein Jahrzehnt nicht aktiv. Trotzdem legen vereinzelt Aktenfunde nahe, dass die Gestapo ihn weiter im Auge behält. Als am 20. Juli 1944 das erfolglose Attentat auf Hitler verübt wird, wird dies als Rechtfertigung genommen das „Dritte Reich“ von allen politischen Gegnern „zu säubern“. Bei der sogenannten „Aktion Gitter“ bzw. „Aktion Gewitter“ werden über 5.000 Personen verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Unter ihnen befindet sich – als ehemaliger SPD-Landtagsabgeordneter – auch Otto Sturmfels.

Neben Sturmfels deportieren die Nationalsozialisten noch acht Männer, die wie er bereits 1921 zur SPD-Fraktion in Hessen gehörten (siehe Abb. oben) – und damit fast alle noch lebenden ehemaligen SPD-Landtagsabgeordneten – von Darmstadt ins KZ Dachau. Gemeinsam mit Otto Sturmfels „gehen“ Karl Neff, Heinrich Delp, Christoph Hardt, Adam Lang und Heinrich Riegel bereits am 26. August dem KZ Dachau „zu“. Am 29. August folgen Anton Lux und Albin Mann, am 2. September Karl Henzel. Während die Verschubung von Darmstadt also innerhalb weniger Tage stattfindet, unterscheidet sich die Haftdauer deutlich.

Warum Otto Sturmfels wie Heinrich Delp nicht zu denjenigen gehört, die im Herbst aus dem KZ wieder „entlassen“ werden, lässt sich den Dokumenten nicht entnehmen. Beide überleben die menschenfeindlichen Bedingungen der KZ-Haft nicht. Am 2. April 1945 dokumentiert der Lagerarzt Sturmfels‘ Tod im Rapportbericht. Ob die Angabe „Sepsis infolge Erysipel“ stimmt, bleibt fraglich. Denn der „Abgang durch Tod“ verschleiert immer tatsächliche Ursachen, die in Haftbedingungen, Folter oder Verbrechen der SS zu sehen sind.

Am 29. April 1945, nur wenige Wochen nach Otto Sturmfels‘ Tod, wird das Konzentrationslager in Dachau von den Alliierten befreit. Heinrich Delp stirbt kurz darauf. 


Quellen und Literatur
HHStAW 518 5533
HStAD R 12 P 6481
HStAD G 24 137 und 412
HStAD G 27 3270
HStAD G 21 B 2515 1-4
https://stadtatlas.darmstadt.de/ST/Sturmfels_Otto_Hermannstrasse_4.pdf

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