Nachruf für Fanja Brancovskaja-Jocheles (1922 – 2024)

Mit Verspätung haben wir erfahren, dass Fanja Brancovskaja im September 2024 gestorben ist. Die Darmstädter Geschichtswerkstatt, deren Mitglieder Fanja anlässlich der Ehrung von Karl Plagge 2004 in Darmstadt kennen und schätzen gelernt hatten, trauert um den Tod dieser mutigen ehemaligen Partisanin und unermüdlichen Zeitzeugin des Holocaust in Vilnius.

Fanja wurde 1922 in Kaunas geboren und lebte seit 1927 mit Eltern, Großeltern und Schwester in das damalig polnische Wilna, wo ihr Vater als Elektromechaniker am jüdischen Polytechnikum arbeitet. Ihre Lehrerausbildung wurde durch Krieg und deutsche Besatzung abgebrochen. Nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht und der ersten Welle der Verfolgung und Ermordung der ca. 80000 Wilnaer Juden wurde die Familie im September 1941 in das Ghetto „umgesiedelt“ und gehörte dank der qualifizierten Arbeit des Vaters zur „privilegierten“ Hälfte der Juden, die nicht bis Ende September 1941 getötet oder im Wald von Ponary ermordet wurde. Im Januar 1942 schloss sich Fanja der jüdischen Widerstandsgruppe Fareinikte Partisaner Organisatzije (FPO) an. Sie organisierte Lebensmittel, schmuggeln Waffen ins Ghetto und lernte deren Gebrauch im Keller der Ghetto-Bibliothek zu gebrauchen. Am 23. September 1943, dem Tag der Liquidierung des Ghettos, gelang Fania mit einer Kameradin die Flucht. Die beiden jungen Frauen konnten sich zu den Partisanen in den Rudniki-Wäldern durchschlagen. Fanja nahm als Mitglied einer jüdischen Partisaneneinheit, in der sie ihren späteren Ehemann Mikhail Brancovsky kennen lernte, im Juli 1944 an der Befreiung Wilnas teil. Ihre gesamte Familie – Großeltern, Eltern und Schwester – wurde ermordet. Seit der Befreiung lebte Fanja mit Ehemann und zwei Töchtern in Vilnius, studierte Ökonomie und arbeitete bis zu ihrer Rente als Statistikerin in der statistischen Behörde von Litauen. Nach dem Tod ihres Ehemanns 1985 engagierte sie sich als ehrenamtliche Bibliothekarin im Yiddischen Institut der Universität Vilnius, beriet Überlebende im Komitee ehemaliger Ghetto- und KZ-Häftlinge und hielt als Zeitzeugin und durch Führungen im ehemaligen Ghetto die Erinnerung an den Holocaust in Vilnius aufrecht.

Nun ist Fanja Brancovskaya über hundertjährig gestorben. Sie hinterlässt neben ihren beiden Töchtern zahlreiche Enkel- und Urenkelkinder. Anlässlich ihres Todes würdigte Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda das Leben von Fanja Brancovskaja. Sie habe als eindringliche Zeitzeugin gegen das Vergessen gekämpft. Die Darmstädter Geschichtswerkstatt verliert mit Fanja auch eine langjährige, verehrte Freundin.

>>>>> zur Biografie von Fanja Brancovskaja_Angehörige des Widerstandes in Wilna
>>>>> zum Litauen-Projekt

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