Die Darmstädter Geschichtswerkstatt zeigt ihre Ausstellung im Max-Mannheimer-Studienzentrum in Dachau
Wer waren die Menschen, die sich aufgrund ihrer Lebensweise nicht in die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ einfügten? Die sich dem Anpassungsdruck verweigerten? Der Diktatur entgegenstellten? Welche Konsequenzen hatte dies für die Betroffenen angesichts des totalen Herrschaftsanspruchs des NS-Regimes?
Diesen Fragen geht die aktuelle Ausstellung Zwischen Nonkonformität und Widerstand. Biografische Erkundungen 1933-1934 der Darmstädter Geschichtswerkstatt in Kooperation mit der BrechtGeschichtswerkstatt nach. Seit 08. Februar ist sie in Dachau, im Max-Mannheimer-Studienzentrum zu sehen. Die Vernissage eröffnet ein sechsköpfiges Ensemble der Viktoriaschule Darmstadt. Die Oberstufen:schülerinnen spielen das Lied Mein Vater wird gesucht von Hans Drach. Ein Lied, das aus der Perspektive eines Kindes Verfolgung und Ermordung von politischen Widerstandskämpfern, thematisiert. Es folgen die Begrüßung der zahlreichen Anwesenden – Stuhlreihen müssen nachgestellt werden – durch die Leitung des MMSZ, Felizitas Raith, die auf die jahrelange Kooperation zwischen der Bertolt-Brecht-Schule Darmstadt und dem Studienzentrum eingeht, und eine Einführung in die Ausstellung seitens Bernhard Schütz, der das Konzept der Ausstellung, die chancenreiche und gleichzeitig fordernde Begegnung mit den Archivalien im Rahmen biografischer Erkundungen und natürlich die professionelle Gestaltung durch Rainer Lind vorstellt. Dann spielt das Ensemble unter der Leitung von Christiane Tröger als Swing-Stück Means that you‘re Grand. Im Kontext der Ausstellung: eine Würdigung an die vom NS-Regime Verfolgten, erneut aus der Perspektive der sie Wertschätzenden – seien es Familienangehörige, Freunde oder Mitstreiter:innen gegen den Faschismus.
Ganz dem Konzept der Ausstellung, dem Dialog mit den Quellen und der Subjektorientierung, verpflichtet, folgt darauf die Vorstellung der biografischen Erkundungen – natürlich im Dialog mit den Vernissage-Besucher:innen. Denn die Ausstellung zeigt ein Konvolut von Dokumenten. Sie belegen, wie Verfolgung, Inhaftierung und Deportation von den Behörden in Karteikarten, Rapporten, aber auch Briefwechseln und persönlichen Mitteilungen als Verwaltungsakt angelegt wurden. Die vielfältigen Schriftstücke und Fotografien sollen einladen, nach Handlungsräumen der Betroffenen – unter den Bedingungen der NS-Herrschaft als auch im Kampf um Entschädigung nach 1945 – zu fragen. Und die jugendlichen Projektteilnehmer:innen erklären ihre Herangehensweise, welchen Überlegungen und Fragen sie während ihren Recherchen besondere Beachtung schenkten. Welche Rechercheergebnisse sie erinnern wollten, wie es also zu der Auswahl der in der Ausstellung präsentierten Abbildungen und Texte kam.
Denn die Ausstellung lenkt den Blick ebenfalls auf die biografischen Erkundungen und damit auf die Projektteilnehmer:innen selbst. Und auch wenn die Projektgruppe nicht mehr vor Ort ist; die Tafeln enthalten die Einblicke in die Beobachtungen und Primärerfahrungen der jungen Erwachsenen mit Archivarbeit. Die auf den Tafeln hinterlegten QR-Codes führen zu der Website der Ausstellung. Ihre Video-Interviews mit dem Künstler Rainer Lind dokumentieren dort umfangreich ihren Umgang mit den Quellen, Begegnungen mit den Biografien hinter den historischen Dokumenten und erinnern an die Verfolgten des NS-Regimes.
Unser Dank geht besonders an Demokratie leben und die Wissenschaftsstadt Darmstadt, die Fördervereine der Bertolt-Brecht-Schule und Viktoriaschule und das MMSZ. Ohne ihre Unterstützung und Förderungen wären die Ausstellung, die Vernissage, aber auch die Recherchen in dieser Form nicht möglich gewesen.
Bis April ist die Ausstellung in Dachau zu sehen. Danach wird sie in Darmstadt, in der KZ-Gedenkstätte Osthofen und im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden zu sehen sein.
Zum Weiterlesen:
Bertolt-Brecht-Schule-Darmstadt >>>>„Das ist die Akte, die mich interessiert!“ Die Erinnerungsarbeit und Fragen der Brecht Geschichtswerkstatt