Der historische Stadtrundgang am 7. Mai thematisierte „Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus in Darmstadt“ und dauerte dreieinhalb Stunden! Der von der Böll-Stiftung gesponserte Stadtrundgang am 9. Juli legte den Fokus noch stärker auf den „Widerstand im Nationalsozialismus“: An vier Stationen, an denen man Schatten und auch teils Sitzmöglichkeiten fand, erfuhren die Anwesenden etwas über den Faschismus vor Ort: den Ausbau und die Festigung der nationalsozialistischen Macht in Darmstadt im März 1933, über das Wahlverhalten der Darmstädter und die Besonderheiten der einzelnen Stadtviertel. Aber hauptsächlich wurden die Bemühungen der SPD und KPD, die Machtetablierung und den Wahlerfolg der NSDAP zu verhindern, sowie die Gewalt und (Lebens)Gefahr, denen sich politische Widerständler:innen mit Beginn des NS-Staats gegenüber sahen, an Beispielen und Biografien gezeigt.
Am Marktplatz und in der Altstadt wurden neben dem Thema Widerstand auch Möglichkeiten zum Widerstand und Nonkonformität in einer Diktatur angesprochen sowie die sichtbare, vor aller Augen stattfindende Entrechtung, Entmenschlichung und Deportation Darmstädter Bürger:innen benannt. Besonders hervorgehoben wurde, wie schwierig es ist, an die Menschen in der Altstadt und ihre Widerstandsleistungen zu erinnern.
Denn nicht nur zwei kriegsbedingte Brände vernichteten Egodokumente und Archivalien. Angehörige, die Zeitzeugenschaft leisten könnten, starben oder wurden ermordet.
Und nicht zu vergessen: auch der gesellschaftliche Blick auf die, besonders in der Altstadt lebenden, Verfolgtengruppen nach 1945 beeinflusst und erschwert heute das biografische Arbeiten. Die Geschichtswerkstatt möchte mit ihren Recherchen aktiv dieser sog. zweiten Vernichtung, der Vernichtung der Erinnerung der Namen und Biografien, entgegenwirken.
Am Mauerrest des Gefängnisses in der Rundeturmstraße war die vierte und letzte Station: Nachdem kurz auf die Geschichte der Strafanstalt, vor allem auf den ungeklärten „Suizid“ Ludwig Weidigs eingegangen wurde, fand der Stadtrundgang seinen Abschluss in der Präsentation von Biografien, mit denen sich die Darmstädter Geschichtswerkstatt zur Zeit beschäftigt. Sie zeigen, welche Handlungsmöglichkeiten einzelne sahen und wahrnahmen, um Widerstand gegen den Faschismus zu leisten. Und wenn dies im NS-Staat ihnen nicht mehr möglich war, dann eben aus dem Exil oder im spanischen Bürgerkrieg, im Kampf gegen die Franco-Faschisten.
Hinweis: Die GW straffte aufgrund der Hitzewarnungen die Wege und Informationen und gab nur einen Ausblick auf den Widerstand im künstlerischen Bereich. Die Stationen am Mercksplatz (Bücherverbrennung) und Haus der Geschichte (ehemaliges Theater) wurden deshalb nur kurz angerissen. Ebenfalls entfiel das Landgericht. Wichtige Informationen zu Recht bzw. Rechtsverständnis im Unrechtstaat und Gerichten wurden in die Stationen integriert. Interessierte sind herzlich eingeladen, an dem nächsten Stadtrundgang über die Böll-Stiftung – vermutlich im Herbst – teilzunehmen, während dem diese Bereiche verstärkt Raum finden werden.
Fotos (c) Dr. Ulrike Landzettel und Kirsti Ohr